Teekannen im Wandel der Zeit.

United Kingdom, von 1680 bis 2000.


Am englischen Hof wurde der Tee 1662 eingeführt durch Katharina von Braganza, der portugiesischen Gattin von Charles II. Sie gilt allgemein als Begründerin der britischen Teekultur, die sich zunächst innerhalb des Adels ausbreitete. 1717 eröffnete Thomas Twining das erste Teegeschäft in London.

Tee war damals extrem teuer. Schon deshalb waren die Teekannen klein, meistens mit einem Fassungsvermögen bis zu 1/2 Liter.

Aus der Zeit von vor 1700 sind nur ganz wenige Kannen erhalten, aber die ursprüngliche Kugelform (bullet teapot) erfreute sich die ganze 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts hindurch großer Beliebtheit. Zunächst ganz schlicht, ab 1735 zunehmend mit Rococo-Verzierungen.

 Als 2. Grundform finden wir Kannen mit einem Haubendeckel. 

Nur zwischen 1710 und 1720 wurden die aufwändigen oktagonalen / eckigen Formen produziert.

Auf den letzten 3 Fotos unten sehen Sie, wie um 1750 herum die Kannen zunehmend birnenförmig wurden, also durch einen Fuß in die Höhe wuchsen. Besonders bei den Schotten war diese Form beliebt. Ganz rechts unten eine sehr späte Ausführung (1770) dieser Form, schon mit einer Verzierung, die wir etwas später im Neo-Klassizissmus als Adam Style wiederfinden.


Während sich also zur Zeit der Regentschaften von George I und II designtechnisch bei Teekannen nicht viel tat, gab es beim 3. George (1760-1820) geradezu revolutionäre Umwälzungen und ständig neue Trends. Das lag auch an einer Erfindung:

Im Jahre 1769 patentierte James Watt seine Erfindung, die den Wirkungsgrad der Dampfmaschine drastisch erhöhte – und damit auch deren Einsatzmöglichkeiten. Dieses hatte unmittelbare Auswirkungen auf die Produktion von Silberwaren, denn nun konnte man dünne Platten aus Silber walzen und z.B. zu Teekannen-Korpora biegen und verlöten. Das sparte Material und Arbeitszeit und machte Teekannen auch für eine breitere Käuferschicht erschwinglich.

Die ersten neuen Entwürfe - sog. can shape teapots, nur zwischen 1770 und 1785 - waren noch klein (li. Foto).

1784 wurde die Teesteuer in England drastisch gesenkt.
(genauer: Sie wurde natürlich nur gegen eine andere Steuer getauscht. Ausgerechnet eine auf Silber!).

Damit konnten die Teekannen auch deutlich größer werden, mit Fassungsvermögen um 1 Liter herum. Sie standen oft auf kleinen Tabletts, sog. teapot stands (rechtes Foto).


Erfreulicherweise investierte man die ersparten Produktionskosten in die Verzierung. Hauptsächlich in Gravuren, aber über wenige Jahre um 1780 herum auch in aufwändige aufgesetzte Perlenränder.

Nur, damit es nicht zu Missverständnissen kommt: Die Nutzung der Dampfmaschine bedeutet nicht, dass Teekannen nun von einer Maschine gefertigt wurden! Sie diente zunächst vor allem dazu, Silberplatten zu walzen. Es steckt weiterhin viel Handarbeit in der Fertigung und die Verzierungen macht auch keine Maschine.

 Für mich gehören die Teekannen aus der Zeit des englischen Neo-Klassizissmus zwischen 1770 und 1800 zu den schönsten überhaupt.


Ab 1800 wurden die Kannen zunächst wieder schlichter und teapot stands wurden abgelöst von Kugelfüßen.


In den 1810er und 1820er Jahren erreichte das Silberhandwerk in England sein "All Time High". 

In Bezug auf Design, Qualität und mögl. auch beim Umsatz. Der Adel überbot sich mit repräsentativem Silber, angefeuert vom Kronprinzen, der ab 1810 die Geschäfte für seinen senilen Vater übernahm und, als Prinzregent bis zu seiner eigenen Krönung 1820 zu George IV, Namensgeber für das Regency-Silber war. 

Es ging zurück zu gehämmerten Korpora, zu schwerer Top-Qualität. Gerne auch vergoldet. Rundell & Bridge  belieferten Königshaus und Adel mit exzellenten Waren von Paul Storr & Kumpane.


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Schon in den 1820er Jahren erfreuten sich Kannen mit viel Zierwerk einer zunehmenden Beliebtheit. In den 30ern erreichte dann das Rococo-Revival seinen Höhepunkt, kombiniert mit dem Naturalismus unter William IV (1830-37). Die Qualität war immer noch erstklassig!


Das Zeitalter von Queen Victoria (1837-1901) war auch das Zeitalter der fortschreitenden Industrialisierung aller Lebensbereiche, also auch des Silberhandwerks. Und Industriedesigner haben nun einmal andere Prioritäten als Künstler. Es gab immer wieder Phasen mit besonderen Designeinflüssen, z.B. asiatische oder gotische Motive.


Aber insgesamt ließ die individuelle Qualitätsfertigung immer weiter nach, je älter das Jahrhundert wurde.

Spätestens mit Christopher Dresser, dem führenden Industriedesigner des späten 19. JH, wurde Design den günstigen Fertigungsmethoden untergeordnet.

Wobei, das muss man leider betonen an dieser Stelle, die Qualität trotzdem immer weit über der von Silberwaren aus dem deutschsprachigen Raum lag.


Als Gegenpol entstand in England die Arts+Crafts-Bewegung (ca. 1885 -1915), die das Handwerkliche wieder in den Vordergrund schieben wollte. Letztendlich wurden deren Entwürfe von den großen Firmen adaptiert und auch industriell gefertigt.


Der zeitlich parallel zur Arts+Crafts-Bewegung verlaufende Jugendstil / Art Nouveau ging an englischen Teekannen schadlos vorbei.

Das Art Deco beherrschte designtechnisch das gesamte 2. Viertel des 20. Jahrhunderts. Schlicht und tendenziell kantig. Ein Schelm, wer darin Parallelen zum Neoklassizissmus erkennt.


Die Zeit nach dem 2. Weltkrieg und das Bemühen der Engländer, die Silberindustrie wiederzubeleben, habe ich in der Infothek unter "Das 20. Jahrhundert" schon beschrieben.

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Post-War / Modernismus - die Antiquitäten der Zukunft.