Sie finden auf dem Markt 3 Sorten von Silberwaren
1) (Manuell) VERsilbert - sog. Sheffield Silver oder Old Sheffield Plate
Um 1743 entdeckte Thomas Boulsover in einer Sheffielder Besteckfabrik zufällig, dass sich eine dünne Silberschicht gut manuell auf Kupferplatten auftragen lässt und beides dann als Einheit bearbeitet werden kann. So konnten sehr günstig Silberwaren hergestellt werden, die (auf den ersten Blick) wie massives Silber aussahen.
Achtung! Nicht zu verwechseln mit massivem Sterling Silber, das in Sheffield produziert und / oder gepunzt wurde und wird.
Ich biete keine Ware an in Old Sheffield Plate.
2) (Galvanisch) VERsilbert
Um 1840 wurde Sheffield Plate abgelöst durch galvanisch versilberte Ware. Darauf findet man i.d.R. den Stempel EPNS (= ElectroPlatedNickelSilver). Auch bei dem Verfahren wird eine hauchdünne Schicht Silber auf unedles Metall aufgetragen.
Ich biete keine Ware an in VERsilbert / EPNS.
3) Massives Silber
Von massivem Silber spreche ich ab einem Silberanteil von mind. 750 / 1000. In Deutschland sind 800 / 1000 üblich; das sog. 800er Silber, also 80 %iges Silber. Die restlichen 20 % sind vor allem Kupfer. Reines Silber wäre zu weich für gebrauchsfähige Haushaltswaren.
In England hat man schon seit dem 13. Jahrhundert den Standard bei 925/1000 gesetzt, dem Sterling Silber. Bis auf einen kleinen Zeitraum (1697 - 1720), als der Standard auf 958 gesetzt wurde. Dieses sog. Britannia Silber darf auch heute noch verwendet werden.
Andere Länder haben andere (auch wechselnde) Standards. Aus Frankreich kommt z. B. meist 950er Silber.
Hier eine sehr hilfreiche Seite (Bild oben rechts) zum Thema: https://www.925-1000.com
Meine Waren sind auschließlich aus massivem Silber; praktisch immer Sterling oder 950er.
Ich bin kein großer Fan von 800er Silber. Je höher der Kupferanteil, desto messingartiger die Farbe. Deshalb ist es zumindest bei den niedrigeren Legierungen üblich, Neuwaren aus massivem Silber bei der Herstellung mit einer dünnen Schicht Reinsilber zu überziehen (im Grunde wie bei der Versilberung). Diese rubbelt sich natürlich ungleichmäßig ab im Laufe der Jahrzehnte. Das gibt unschöne Flecken, wenn darunter das dunklere 800er zum Vorschein kommt. Zum Beispiel, wenn man sein 800er Besteck irgendwann doch mal maschinell polieren möchte. Dann ist eine teure Neuversilberung fällig.
Auf den beiden Bildern sehen Sie die gleiche Schale einmal NACH der maschinellen Politur, aber VOR der Neuversilberung (links) und dann nach der Neuversilberung (rechts). Ich denke, der Farbunterschied ist deutlich sichtbar. Kaufen Sie besser Sterling!
Massives Silber kann auch vergoldet werden. Das war gerade im 19. Jahrhundert immer wieder mal gefragt; speziell im Regency, also um 1820. Sieht vor allem in Verbindung mit Holz gut aus. Und wenn das Gold schon leicht runterpoliert wurde über die Jahrhunderte.
Gravuren: "Engraving" und "bright cut engraving"
Bei einer Gravur wird Material entfernt, um die gewünschte Zier oder Inschrift zu schaffen. Zum Beispiel bei fast allen Familienwappen. Man sieht nichts auf der Rückseite, weil vorne einfach Material entfernt wurde.
"chasing" oder "flat chasing"
Chasing sieht aus wie eine Gravur, ist aber keine. Denn beim chasen wird das Silber von außen nach innen / zur Seite verdrängt, aber nicht entfernt. Ist ein bisschen wie Treibarbeit von außen, nur feiner. Die folgenden beiden Bilder vom gleichen Tablett zeigen engraving und chasing im Gegensatz. Das Wappen ist graviert, sieht man nicht auf Rückseite. Verzierung drum herum ist chasing, sieht man auf Rückseite.
Zusätzliches Material erfordert die Verzierung durch "cut card" (linkes Bild). Dabei werden aus dünnen Silberplatten mit der Laubsäge ausgesägte Verzierungen aufgesetzt. (Foto links)
"embossing" oder "repousse" oder "martelé" sind andere Begriffe für die klassische Treibarbeit. Von innen wird das Silber nach außen gearbeitet (getrieben) und es entstehen 3-dimensionale Verzierungen. (Foto mittig und rechts)
Gegossene 3-dimensionale Applikationen finde ich besonders attraktiv. Gegossene Ränder an Tabletts oder gegossene Füße und figurale Verzierungen. Sie erhöhen natürlich das Silbergewicht eines Stückes.
Gegossen wird Silberkunst meist im Lost Wax- oder Wachsausschmelzverfahren. Vom Art Institute Chicago finden Sie (wie auf dem mittleren der folgenden Fotos gezeigt) eine 4-teilige Videoreportage, die Ihnen einen Eindruck über die aufwändige Arbeit verschafft. Vom künstlerischen Entwurf bis zum polierten Kunstwerk.
Bei der Herstellung von Silberwaren sprechen wir spätestens ab der Mitte des 18. Jahrhunderts von einer sich entwickelnden "normalen" Industrie - einschließlich Zulieferern, Arbeitsteilung, Spezialistentum, outsourcing und Handel.
Schuld daran war auch: Die Dampfmaschine
James Watt hat die Dampfmaschine nicht erfunden, aber mit einer 1765 patentierten Methode auf eine neue Ebene gehoben. Seine geschäftliche Verbindung mit Matthew Boulton, einem (später auch Silber-) Unternehmer aus Birmingham revolutionierte die Produktionsmethoden im Silberhandwerk. Die Dampfmaschine erlaubte das Walzen von sehr dünnen Silberplatten. Man brauchte z.B. den Korpus einer Teekanne nicht mehr mit dem Hammer aufzubauen (obere Reihe auf folgenden Bildern), sondern konnte ausgestanzte oder ausgesägte Teile zusammenlöten. Das sparte viel Material und Arbeitsstunden und führte zu völlig neuen Formen (untere Reihe auf folgenden Bildern).
Auch Kerzenleuchter, traditionell gegossen mit dicken Wänden (Leuchter links), wurden nun aus 4 gleichen, dünneren Seiten zusammengelötet und zur Stabilisierung gefüllt mit Holz oder Pech oder einer Art Zement (Leuchter mitte + rechts).
Es ist ein verständliches Bedürfnis des Handwerks und des Marktes, durch Einführung moderner Produktionstechniken, die Herstellung zu verbilligen.
Die Spezialisierung der Arbeiter in den Produktionsprozessen und die große Nachfrage durch breiteren Wohlstand in England führten im 19. JH weg von der kleinen Werkstatt, hin zur anonymen Massenproduktion in Fabrikbetrieben. Mit all den abstumpfenden Folgen für die Arbeiter, denen sich ab ca. 1880 u.a. die Arts + Crafts-Bewegung entgegen stellte. Ohne anhaltenden Erfolg.
Am längsten hielt sich der klassische Silberschmied noch in der Fertigung von Löffeln und Gabeln in London. Siehe dazu unter "Besteck" und diese Videos:
https://gestanzt
Handgeschmiedetes Silber ist i.d.R. schwerer / massiver / stabiler als maschinengefertigtes. Die Farbe ist samtener - auch dadurch, dass die Oberfläche oft "naturbelassen" wird, die Hammerschläge also sichtbar.
Aber Achtung: Nicht alle gehämmerten Oberflächen deuten auf handgeschmiedetes Silber hin. Oft ist es auch nur eine aufgebrachte Verzierung.
Einen mit dem Hammer aufgebauten Kannen-, Kelch- oder Schalenkorpus erkennen Sie gut an den Hammerspuren INNEN.
Aus dem 20. Jahrhundert findet man sehr wenig handgeschmiedetes Silber. Arbeit ist teuer. Natürlich spricht jede Marketingabteilung von Massenproduzenten in den Hochglanzprospekten von Handwerk und Handarbeit. Aber das ist nicht handgeschmiedet! Auch die Silberschmied-Designer von heute beginnen ihre teils begeisternde Hand-Verzierung i.d.R. an einem gewalztem oder gedrehten Stück.
Ich weise bei meinen Angeboten darauf hin, wenn ich mal ein Stück mit einem durch Hand und Hammer aufgebauten (raised) Korpus aus dem 20. JH gefunden habe.
Richtige Handarbeit kann man noch beobachten bei den Harts in Chipping Campden. Sie sind die "letzten Mohikaner" der Arts + Crafts-Bewegten, die 1902 von C.R. Ashbee aus London in die Cotswolds geführt wurden. In der Werkstatt sieht es aus wie bei Hempels unterm Sofa, aber die Arbeit ist erstklassig und der Maschineneinsatz zu vernachlässigen.
Wappen und Familienzeichen (armorials / coat of arms / crests) verleihen jedem Stück eine Einmaligkeit. Nicht alle sind zu identifizieren - aber sehr viele öffnen Türen zu interessanten Hintergründen.
Für die Latainer unter den Lesern: Wundern Sie sich nicht über diverse Schreibfehler in den gravierten Mottos. Die Graveure waren "einfache Handwerker", die wahrscheinlich keine Ahnung hatten, was sie da in einer fremden Sprache schrieben. Und bei den Eigentümern bin ich mir da auch nicht sicher. Bei dem Wappen unten links haben wir ein schönes Beispiel. Das Motto der Familie Fortescue lautet eigentlich "Forte suctum salus ducum". Der Graveur schrieb aber "Morte suctum ..." Das macht schon einen kleinen Unterschied auf einem Hochzeitsgeschenk :-)
Übrigens anläßlich der Heirat von Mathew, dem 2. Baron Fortescue (1719 - 1785) von Castle Hill / Devon am 8. Juli 1752.
Rechts das crest der Familie Compton, hier Spencer Compton, 8th Earl of Northampton auf einer Kaffeekanne von 1772.
Dieses Prachtexemplar (Durchmesser 43 cm, 3,9 kg) gehörte King Edward VIII. Das Royal Coat of Arms of the United Kingdom darf nur vom aktuellen Monarchen persönlich genutzt werden.
Und diese Kaffeekanne stammt aus dem Haushalt von Earl Grey, Premierminister und Namensgeber für die berühmte Teesorte.
Arms of the Sir Henry Grey, 2nd Baronet, of Howick in the County of Northumberland
Sir Henry Grey, the 2nd Baronet of Howick, the original owner of this coffee pot was baptized on the 15th November 1722, he was the son of Sir Henry Grey, (baptized 4th December 1691) the 1st Baronet of Howick (created within the Baronetage of Great Britain on the 11th January 1746) and Hannah, daughter of Thomas Wood, of Falloden in the County of Northumberland. The Greys were a well established gentry family in the North East of England centred upon their home county of Northumberland from the 14th Century onwards. The 2nd Baronet served as Member of Parliament for Northumberland from 1754 to 1768. He succeeded his father in the baronetcy of Howick on the 6th May 1749. When he himself died unmarried on the 30th March 1808, his nephew, Charles, the 2nd Earl Grey (born 13th March 1764 died 17th July 1845) succeeded him as the 3rd Baronet of Howick.
Dieser 2nd Earl Grey wurde später Premier Minister.
Nach ihm wurde der berühmte Earl Grey Tea benannt.
Viele Silbersachen erzählen interessante Geschichten. Dieses Service gehörte der Familie von General Gordon Meade, dem Kommandeur der Unionstruppen im Amerikanischen Bürgerkrieg, u.a. bei der Schlacht in Gettysburg.
Dessen Urenkel, George Meade Easby, wachte in seinem Baleroy House in den Chestnut Hill von Philadelphia über eine riesige Antiquitätensammlung, von der er immer wieder Teile verlieh - u.a. ins "Weiße Haus".
So war dieses gewaltige Service aus Philadelphia von 1811 zur Amtszeit von Präsident Richard Nixon eine persönliche Leihgabe an diesen. Der Schlüssel zur Box liegt in einem Umschlag an den langjährigen Kurator von State Departement und White House, Mr. Clement Conger (Autor von "Treasures of State"). Eines der Stücke , dessen Verkauf ich heute bedaure ...
Spitzenstücke bezeichne ich gerne als museumswürdig - wobei ich mich schon immer wieder wundere, was für Durchschnittsware sich auch in renommieren Museen findet. Da grinsen einen die Lötreparaturen manchmal schon auf die Entfernung an.
Mein Lieblingsmuseum, zumindest in Bezug auf Silber, ist das Ashmoleon in Oxford. Ist auch nicht so stressig wie London. Die grandiose Sammlung ist in einem 3-bändigen Werk verewigt, welches ich zu den "must have" der Silberliteratur zähle.
Zusätzlich gibt es im Museum eine Ausstellung und ein Buch über kontinentales Silber der Wellby-Sammlung.
Meine "Best Of" der Fachliteratur sind neben dem oben erwähnten 3er Band zunächst 2 reine Übersichtswerke ohne großen künstlerischen Anspruch. Sie zeigen einen sehr umfangreichen Querschnitt durch die Silberwelt anhand von Stücken, die in diesen Auktionshäusern zum Aufruf kamen.
Dazu die Sammlungen im Boston Fine Art Museum, im Clark Institute und die Gilbert Collection (ohne Foto, ISBN-13: 978-0500014523). Und für alle, die auch vor lehrreichen Texten nicht zurückschrecken, das Werk von Timothy Schroder.
Für Besteck den Klassiker von Ian Pickford. Für modernes Silber das junge, aber schon Standard-Werk von Andrew + Styles. Dazu das wirklich schöne Buch über American Silver 20th Century.
Es gibt natürlich locker noch 100 Werke mehr, aber mit den auf dieser Seite gezeigten sind Sie schon ganz weit vorne.